Wird die Langlebigkeit der Bienenkönigin durch Telomerase-Aktivität bestimmt?

In der Natur lässt sich allgemein beobachten, dass ein Individuum, wenn es in seine Reproduktion investiert, automatisch sowohl seine Vitalität als auch seine Lebensdauer reduziert. Vereinfacht gesagt, mehr Nachkommen bedeuten ein kürzeres Leben und schlechtere Gesundheit. Obwohl bisher nicht ausreichend geklärt werden konnte, worin die molekulare oder physiologische Grundlage dieses Phänomens, bekannt als „cost of reproduction“ (Preis der Reproduktion), besteht, lässt sich dieses Phänomen bei einer Vielzahl von Organismen beobachten, mit einer bemerkenswerten Ausnahme: dem sozialen Insekten.

Paradoxerweise erreichen die Individuen der reproduktiven Kasten des sozialen Insekten weitaus höhere Lebensalter als die nicht-reproduktiven Individuen derselben Art. Ein hervorragendes Beispiel ist die Honigbiene, bei der die Königinnen bis zu sechzigmal länger leben als die Arbeiterbienen.

Telomere als Grund für die Langlebigkeit

Es gibt viele Spekulationen darüber, was es den reproduktiven Kasten der sozialen Insekten ermöglicht, so lange zu leben. Einem der Annahmen zufolge steht dies in Zusammenhang mit einer hohen Telomerase-Aktivität, einem Enzym, das sich an die Enden der Chromosomen, sogenannten Telomere, anheftet und regelmäßig neue DNA-Abschnitte hinzufügt, wodurch die Telomerenlängen verlängert werden. Man kann von einer Art Renovation der Telomere sprechen. Neben reaktiven Sauerstoffspezies, die gerne die Enden der Chromosomen „angreifen“, verkürzen sich die Chromosomenenden auch zwangsläufig bei jeder Zellteilung (bedingt durch die unvollständige DNA-Synthese, die der Zellteilung vorausgeht). Die Aktivität der Telomerase ist daher entscheidend für die Erhaltung der genetischen Information und das Überleben. Die Erkenntnis, dass Telomere und Telomerase-Aktivität eng mit dem Altern und der Entstehung zahlreicher Zivilisationskrankheiten verbunden sind, hat die Forschung zu Telomeren in den letzten drei Jahrzehnten ins Rampenlicht gerückt. Forschungen am Menschen und anderen Säugetieren haben gezeigt, dass die Telomerase-Aktivität im Verlauf des individuellen Entwicklung abnimmt und sich somit die Telomerenlängen verkürzen, dass also die Telomerenlänge als Indikator für das Altern fungiert. Es zeigt sich, dass Erwachsene mit ausreichend langen Telomeren in proliferativ aktiven, d.h. sich teilenden Zellen, gesundheitlich besser dran sind und ein höheres Lebensalter erreichen als Individuen mit vergleichsweise kurzen Telomeren. Des Weiteren wird betont, dass Stress, sei es oxidativer Stress in Form reaktiver Sauerstoffspezies oder verschiedene Stressbedingungen aus der Umwelt, das Leben von Bienen erheblich beeinflusst.

Ein herausragendes Beispiel ist die Honigbiene, deren Königinnen bis zu sechzigmal länger leben als Arbeiterbienen. Doch warum genau? Es gibt Spekulationen, dass eine hohe Telomerase-Aktivität in den Gehirnen erwachsener Bienenköniginnen diese Langlebigkeit unterstützen könnte. Telomeren sind nicht besonders aktiv in den Gehirnen erwachsener Bienen, und warum die Telomerase-Aktivität so hoch ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht erfüllt Telomerase noch unbekannte Funktionen.

Telomerase bei der Honigbiene

Unser Team, das sich seit langem mit der Erforschung von Telomeren bei Insekten beschäftigt, hat in den letzten zwei Jahren die Telomerase-Aktivität bei der Honigbiene untersucht, deren Ergebnisse in diesem Jahr im Journal Chromosoma veröffentlicht wurden. Mithilfe des TRAP (Telomeric Repeat Amplification Protocol) konnte unsere Arbeit bestätigen, dass die Telomerase-Aktivität, ähnlich wie bei Wirbeltieren, während der Entwicklung der Biene generell abnimmt. In den Geweben von Arbeiterinnen und Drohnen ist die Telomerase-Aktivität seit der Larvalentwicklung auf etwa 10 % im Vergleich zur Aktivität in Embryonen unterdrückt. Im Vergleich zu Embryonen ist die Aktivität auch in den Hoden leicht reduziert, und zwar auf etwa 60 %. Überraschende Ergebnisse erzielten wir bei den Bienenköniginnen. Neben der erwarteten Zunahme der Telomerase-Aktivität in den Ovarien der Königinnen (vor der Pupation der Königin auf 160 % des Niveaus der Embryonen) beobachteten wir im Vergleich zu Drohnen und Arbeiterinnen eine zehnfache Zunahme der Aktivität im dritten Larvenstadium. Jedoch war der bemerkenswerteste Anstieg der Aktivität in den Gehirnen erwachsener Bienenköniginnen, wo die Telomerase-Aktivität bis zu dem 70-fachen Niveau im Vergleich zu den Gehirnen der Drohnen und Arbeiterinnen erreicht wurde. Eine erhöhte Telomerase-Aktivität im dritten Larvenstadium der Königinnen könnte entweder mit ihrer Entwicklungsbestimmung oder noch wahrscheinlicher mit einem signifikant schnelleren Wachstum der Larven der Königin im Vergleich zu den Larven der Drohnen oder Arbeiterinnen verbunden sein.

In den letzten Jahrzehnten nimmt nicht nur die Bienenpopulation ab, sondern auch die Lebensdauer und die Leistungsfähigkeit der Bienenköniginnen.

Was jedoch den extremen Anstieg der Telomerase in den Gehirnen erwachsener Königinnen verursacht, bleibt ein Rätsel. Unsere Entdeckung stimmt zwar mit der Annahme überein, dass die Langlebigkeit der Bienenköniginnen mit ihrer hohen Telomerase-Aktivität zusammenhängen könnte. Aber auf der anderen Seite sind Gehirnzellen von Erwachsenen normalerweise nicht besonders proliferativ aktiv. Warum also so hohe Telomerase-Aktivität? Möglicherweise erfüllt Telomerase hier noch andere uns völlig unbekannte Funktionen. Jedenfalls lohnt es sich bestimmt, zukünftige Nachforschungen zu diesem Phänomen zu führen.

Es ist bekannt, dass nicht nur die Bienenpopulationen weltweit in den letzten Jahrzehnten sinken, sondern auch die Lebensdauer und Leistungsfähigkeit der Bienenköniginnen. Möglicherweise ist ein Cocktail aus Stressfaktoren schuld, denen die Bienen immer wieder ausgesetzt sind, wie verschiedene Pestizide in der Bienenumgebung, eine geringe Vielfalt an Nahrung oder unnatürliche Ernährung im Winter und vieles mehr. Wie bereits erwähnt, kann die Länge der Telomeren und die Aktivität der Telomerase durch Stress beeinflusst werden, zumindest deutet die Forschung bei Säugetieren darauf hin. Können wir jedoch ähnliche Effekte auch bei Bienen beobachten? Da einige unserer Vorversuche darauf hindeuten, dass dies möglicherweise der Fall ist, wird es unsere angenehme Pflicht sein, die Forschung an Bienen in Zusammenarbeit mit tschechischen Imkern auch in den kommenden Jahren fortzusetzen. Denn nicht nur der alarmierende Rückgang der Bienenpopulation, sondern vor allem die Bienen selbst verdienen unsere volle Aufmerksamkeit.

Aus der Zeitschrift “Včelařství”:
RNDr. Radmila Čapková Frydrychová, PhD. Entomologisches Institut, Biologisches Zentrum der AV ČR, České Budějovice. Illustratives Foto: Pavel Cimala
Dankeschön: Die Arbeit wurde durch das Projekt Strategie AV21, Forschungsprogramm „Vielfalt des Lebens und Gesundheit der Ökosysteme“, Aktivität „Bienengesundheit“, 2016 gefördert.